Ich habe im Fernsehen einen Bericht über Loki Schmidt, der Ehefrau des Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt gesehen. Als Schirmherrin Ihrer Stiftung war sie in der Eifel, im Nationalpark. Dort hatte sie angeregt, den Wildnarzissen ihren angestammten Lebensraum zurückzugeben.
Weidewiesen wurden aufgekauft und nicht mehr gedüngt, Fichtenbestand abgeholzt.
Jetzt , Jahre später, ist das Projekt sehr erfolgreich und zieht zur Narzissen-Blüte tausende in den Nationalpark.
Die Bilder der blühenden Wiese voller Narzissen hatten sich mir eingeprägt. Das wollte ich auch gern sehen.
Also machte ich mich auf den Weg. Etwas nervös fuhr ich zur Autobahn. Autobahnwechsel, hohe Geschwindigkeit und dichter Verkehr waren ungewohnt. Nach der Abfahrt auf Bundes- und Landstraßen begann dann für mich der Urlaub. Die Landschaft veränderte ihr Aussehen. Es wurde bergiger, mehr Wälder, Rapsfelder kamen hinzu. Der Himmel sonnig mit dramatischen grau-blauen Wolken. Ein herrlicher Kontrast zu den Rapsfeldern. Ich fuhr rechts ran, um die Landschaft genau in Augenschein zu nehmen. Die Sonne blitze immer mal wieder auf, Weißdornhecken blühten, weiter ging’s.
Freunde hatten mir die Bruder-Klaus-Kapelle empfohlen. Von einem Schweitzer Architekten, wurde auf Wunsch einer Bauernfamilie, eine moderne Feldkapelle errichtet. Auf einem Hügel, am Kopfende eines Feldes, steht sie gut sichtbar. Ein Feldweg, zwischen zwei Feldern, führt zu der Kapelle hinauf. Eine schwere, dreieckige Metalltür öffnet den Bau aus rauen Betonwänden. Eingelassene Glassteine und ein kleines Fenster in der Decke des zeltförmigen Baus, bringen spärliches Licht in den spartanischen Raum. Ich bin sehr beeindruckt, von der Bauernfamilie und der Architektur der Feldkapelle. So ein schöner Standort, Weißdornhecken blühen seitlich. Unten am Feldrand machen sich weitere Besucher auf dem Weg.
Auch ich fahre weiter. Mein Ziel ist Monschau. Oberhalb der Stadt, zu Monschau gehörend, habe ich eine kleine Pension gefunden. Mein Navie führt mich eine sehr, sehr steile, schmale Straße hinauf. Sicher der kürzeste Weg, aber so etwas bin ich noch nie gefahren. Mein Stoßgebet: bitte kein Gegenverkehr. Es ist aber wie immer, täglich gefahren, verliert die Straße jeden Schrecken. Ja, es macht sogar Spaß, ein Abenteuer.
Die Pension ist sehr angenehm, die Wirtin sehr nett. Als sie hört, dass ich die Narzissen – Blüte sehen möchte, reicht sie mir die Tageszeitung, mit den Führungsterminen. Ich finde es aber schöner, allein im Nationalpark zu wandern.
Ein Tor zum Nationalpark liegt ca. 5 km von Monschau entfernt, in Höfen. Hier findet sich auch ein Info – Zentrum und die Möglichkeit Touren im Nationalpark zu buchen. Ich verstaue meine Wanderschuhe, Rucksack und Kamera im Auto und mache mich auf die Suche. Meine Suche bringt mich zu einer schon oft benutzten Parkplatzniesche, an den Waldrand des Nationalparks. Schuhe gewechselt und los geht es. Am Rand eines Fichtenwaldes entlang, begleitet von einem kleinen Bach. Der Waldpfad ist durchzogen von den Wurzeln der Fichten. Ich bleibe immer wieder stehen, um einen Blick auf den Bach zu werfen. In bogigen Schwüngen, mit niedrigen Büschen hier und da bewachsen, plätschert und gurgelt er angenehm vor sich hin. Nach einer Weile sehe ich an den Bachufern Baumstümpfe. Ca. 30-40 cm hoch, mit weißem, zugespitztem Kopf, wie ein gerade angespitzter Bleistift, in groß. Ein sicheres Zeichen, dass hier ein Biber am Werk war. Von einer Biberburg ist jedoch nichts zu sehen. Ich gehe weiter, Weiden und auffällige Moospolster wechseln einander ab. Dann die ersten Narzissen. Im Randbereich des Baches, zwischen, unter Büschen und Sträucher. Auch etwas entfern, erst einzeln dann immer mehr. Eine kleine Wiese, die wie eine Wassersammelzone aussieht. Die Bäume links treten weiter zurück, an den Hügeln Sträucher, Gras und Geröll in allen Größen. Die Landschaft wird offener und lichter. Dann öffnet sie sich ganz und auf der rechten Seite zeigt sich eine große Wiese. Der Bach macht einen großen Bogen und zieht sich am hinteren Teil der Wiese entlang. Erst sehe ich nur vereinzelt gelbe Punkte, dann werden es immer mehr, je näher ich komme. Ich habe auf Anhieb das Perlbachtal gefunden. Die große Narzissen-Wiese, die ich im Fersehbeitrag so gemocht habe. Viele Narzissen sind nur halb geöffnet, doch man kann ahnen, wie das Farbfeuerwerk in ein paar Tagen zündet. In den geschützten Bereichen sind sie voll erblüht. Zierlicher als die Gartennarzisse, auf eleganten Stängeln. Das alles habe ich ganz für mich allein, die ganze große Wiese. Ich werde wiederkommen, in ein paar Tagen, ganz sicher.
In Höfen entdecke ich den Heckenweg. Er ist ca. 5 km lang und führt an verschiedenen Bauernhöfen und Privathäusern entlang. Schautafeln erklären, dass es besondere Naturwerke dieser Landschaft sind, deren Erhalt vom Land gefördert und unterstützt werden.. Es sind bis zu 5m hohe Hecken aus Hainbuche, sie behalten länger ihr schützendes Laub. Diese Hecken halten Stürme und Wetterkapriolen ab. Die Gebäude stehen dahinter wie hinter einer schützenden Mauer. Auch die Wirtin meiner Pension zeigt mir ihre große Hecke, die sie zur Windseite angepflanzt hat.
Die Pension, so abgetrennt von Monschau, wirkt wie in einem kleinen Dorf. Eine Kirche, viele Neubauten, eigentlich dürfte ich nicht weit von der Grenze zu Belgien entfernt sein. Im Grenzbereich soll ein Venn liegen. Auf unserer Seite eher klein, in Belgien ganz groß. Ich mache jeden Abend einen Spaziergang und entdecke das kleine Venn. Auf einem Abzweig nach rechts, komme ich zu einem Aussichtspunkt. Hügelabwärts bis zu der Häusergrenze, saftige Wiesen. Ganz unten, hinter den Häusern, im Tal Monschau. Gefolgt von dunkelgrünen Hügeln und verstreuten Windrädern. Ab jetzt werde ich diesen Weg täglich gehen. Denn es gibt hier jede Menge erblühter Narzissen, nur 15 Minuten von meiner Pension entfernt. Der gesamte Wegrand von beiden Seiten, jede Wiese, die nicht bis zum Stacheldraht gemäht wurde – Narzissen.
Im weichen Abendlicht und schöner Stimmung muss ich nur gelegentlich den Anblick mit Hundegassi-Gängern teilen. Aus den Schornsteinen der Häuser steigt der Rauch weiß in die Höhe. Die grauen Schieferdächer von Monschau haben manchmal einen silbernen Schimmer.
All meine Wünsche haben sich reichlich erfüllt, es ist so schön hier, inmitten der Narzissen.
A.MO
A.MO